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Say what you mean and mean what you say

Ein Hund hat in der Regel wenig bis keine Probleme damit, Grenzen beim Zusammentreffen mit Artgenossen zu akzeptieren. Scheinbar greifen dort ungeschriebene Gesetze, man arrangiert sich, Regeln werden aufgestellt und untereinander beachtet. Wie kann es da sein, dass es uns Menschen wiederum häufig so schwer fällt, unseren Hunden Grenzen deutlich zu setzen?  

 

Wenn wir mit unseren Vierbeinern spazieren gehen, kann man immer wieder beobachten, wie sich Hunde mit Artgenossen verhalten. Sie setzen Grenzen, oft schon bei der ersten Sichtung eines anderen Hundes. Es scheint, als würde der Raum aufgeteilt, die Hunde schauen, wie sie zueinander gehen und stehen, u.a. um die Geruchsverteilung bestmöglich darzustellen, oder auch die Frage der Hierarchie abzustecken. Dafür nutzen Hunde eine vielfältige Körpersprache. Sie stellen sich quer in den Weg, umkreisen den gerade getroffenen anderen Hund, begrenzen Räume, oder gar den kompletten Hund.

Ist der Artgenosse so gar nicht nach ihrem Geschmack, können die Signale auch deutlicher werden. Eine höhere Körperspannung demonstriert ein erstes „Achtung!“. Laute wie Bellen oder Knurren weisen das unliebsame Gegenüber in seine Schranken. Reicht dies nicht, wird gerempelt oder klar durch Pfoten auflegen oder das Besteigen des Rückens des Anderen gezeigt, wer sich unterzuordnen hat. Hier gilt es sehr darauf zu achten, denn mögen sich die beiden Hunde nicht, kann es auch zu schnappen und beißen kommen. 

 

Hunde untereinander regeln dieses Miteinander und das Aufzeigen von Grenzen oft ganz beiläufig und anscheinend nebenbei. Die menschlichen Gedanken an dieser Stelle führen nun dazu, dass der gleiche Ablauf zwischen Mensch und Hund nicht so einfach gelingt. Man überlege sich nur einmal, welche Gedanken sich viele Menschen machen, wenn sie „Nein“ sagen müssen. “Oje, wie denkt mein Gegenüber jetzt von mir?”, “War das richtig so?” “Hätte ich nicht doch vielleicht lieber?”. Bei einem Großteil der Menschen geht in Bezug auf das Setzen von Grenzen, beim deutlichen „Nein“ sagen, ein regelrechtes Kopfkino los, das sich maßgeblich auf die tatsächliche Umsetzung auswirkt.

 

Der Mensch sagt nicht gerne „Nein“. Lieber geben wir Raum frei, statt Grenzen zu setzen, Raum einzunehmen, diesen für uns zu nutzen und als solchen klar in der Außenkommunikation anzuzeigen. Natürlich wird dieses Verhalten beim zwischenmenschlichen Umgang sehr positiv gewertet, da dies eher ein höfliches und rücksichtsvolles Miteinander gewährleistet. Im Umgang mit Hunden führt diese Art der höflichen Kommunikation aber leider häufig zu Missverständnissen. 

 

In vielen Familien gilt der Hund als echtes Familienmitglied. Das ist natürlich gut, da so auch eine liebevolle Pflege und ein liebevolles Kümmern gewährleistet sein sollte und der Hund nicht als kurzer Zeitvertreib gilt, der nach anfänglichem Enthusiasmus schnell wieder abgegeben wird. Wir müssen und sollen uns mit dem Hund als Mitglied unserer Familie auseinandersetzen. Wie oft wählen wir im familiären Umgang miteinander den leichteren Weg, ducken uns und gehen Konflikten aus dem Weg, biegen hier und da ab, um Konfrontationen und echten Ärger zu vermeiden?

 

Übertragen wir dies auf den Umgang mit dem Hund, so zeigt sich auch da ein eher nachgiebiger Ansatz. Der Familiengeburtstag artet in Stress aus, weil der Hund breit im Eingangsbereich zum Esszimmer sein Nickerchen macht und keine Anstalten macht, sich auch nur einen Zentimeter zur Seite zu bewegen. Draußen in der Natur gehen wir Umwege, wenn wir am Horizont einen anderen Hund kommen sehen, mit dem es schon mal Stress gab. Andere Hunde zu treffen ist nie schön, da flippt der eigene Hund ja immer so aus, das tut ihm nicht gut.

 

Wäre es nicht besser, an dieser Stelle genau den Weg zu gehen? Muss und sollte der Hund nicht lernen, wie er richtig an der Leine läuft, damit er beim Treffen mit Artgenossen Orientierung durch eine gute Leinenführigkeit hat und gar nicht erst pöbeln muss? Warum liegt der Hund nicht bei Besuch an einem Platz, an dem man nicht mühevoll über ihn steigen muss und an dem er nicht jeden anbellt, der sich in seinem Radius bewegt? Der Hund ist nicht der Türsteher unseres Zuhauses und sollte sich daher auch nicht so benehmen.

 

Oft bekommen wir Anfragen nach Hilfe, nachdem schon eine ganze Weile nachteiliges Verhalten toleriert wurde, des lieben Frieden willens. Irgendwann stört das Verhalten dann doch, dann soll schnellstmöglich Hilfe her. Hier empfiehlt es sich Störgründe im Miteinander frühestmöglich anzugehen, nicht erst wenn es kaum noch Spaß miteinander gibt. 

Aber wie zieht man Grenzen richtig? Natürlich gilt es hier bestenfalls schon bei der Anschaffung eines Hundes die Frage nach der richtigen Erziehung zu bedenken. Für jedes Gespann aus Hund und Halter gibt es andere Herausforderungen, und sogar erfahrene Halter kommen bei manchen Hunden an ihre Grenzen. Daher sollte grundsätzlich mitgedacht werden, dass bei der Anschaffung eines Hundes ein artgerechtes Training dazugehört.

 

Das Thema „Raum“ ist ein ziemlich immanentes in der Hundeerziehung. Hunde, die nach und nach und immer wieder viel Raum einnehmen, werden immer weniger Grenzen akzeptieren, wenn man nicht konsequent dagegen arbeitet. Natürlich testen Hunde ihre Grenzen aus. Schieben sie sich immer wieder zwischen Familienmitglieder, Besucher, etc., folgen sie ihren Bezugspersonen auf Schritt und Tritt, lehnen sie sich ständig an, liegen quer im Weg und machen keine Anstalten einen durchzulassen, sind das Zeichen dafür, dass ein Training dringend nötig ist. Reagieren wir nicht konsequent auf Fehlverhalten, wird der Hund dies vermutlich immer mehr ausbauen und irgendwann sehr starkes Territorialverhalten an den Tag legen, was dann zu echten Problemen führen wird. 

 

Im Umgang mit Hunden braucht es klare Botschaften. Wir selbst sind dabei das größte Hindernis. Denn bettelt der Hund am Tisch und bekommt ein „Nein“ zu hören, wird er vermutlich nicht sofort damit aufhören. Bekommt er dann beim 3. oder 4. Versuch etwas Essbares ab, hat sich sein Heranpirschen und Ignorieren unserer Botschaft schon gelohnt.

 

Im Miteinander mit Hunden geht es nicht um Diskussion, oder gar darum, sich auf einen Konsens zu einigen. Der Hund wird schnell merken, was er darf und was nicht, wenn wir konsequent mit ihm die Themen bearbeiten und die Erziehung geradlinig durchziehen, selbst wenn uns unsere eigene Schwäche ab und an in die Quere kommt. Aber auch dann heißt es stark und konsequent bleiben, was bitte nicht mit Härte und Lautheit gleichzusetzen ist. Eine liebevolle Konsequenz ist die beste Basis für das Gespann Halter und Hund. 

 

Die klare Transparenz im Verhalten des Halters gegenüber dem Hund führt zu gleichbleibendem Verhalten. Der Hund wird lernen, seinen Halter zu „lesen“, was ihm helfen wird, sich in ähnlichen Situationen dann auch zuverlässig gleich zu verhalten. 

Als Halter ist es empfehlenswert, das Motto „Say what you mean and mean what you say“ im Miteinander mit dem Hund konsequent vorzuleben und umzusetzen. Dem Hund erleichtert es zunehmend das Leben: Konsequenz bietet Sicherheit und Halt und baut in der nächsten Stufe Vertrauen auf, die beste Basis für eine wunderbare Mensch-Hund-Beziehung.

 

Copyright Foto: M.P. Picture, aufgenommen auf dem Tierisch Happy Sommerfest 2016